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Das niemals Wiederkehrende
von Béla Pintér
Über Béla Pintér und die ungarische freie Szene:
Seit gut zehn Jahren schreibt in Ungarn fast ausschließlich die freie Szene Theatergeschichte. Mit einigen, wenigen Ausnahmen, wie dem Katona József Theater oder dem Örkény Theater in Budapest, wurden Staats- und Stadttheater zu Fabriken ohne konsequentes künstlerisches Programm, ohne gesellschaftliche Verbindlichkeit. Kein Wunder, dass von ein, zwei Stadttheaterproduktionen abgesehen, in den letzten sechs Jahren freie Gruppen, wie vor allem Krétakör um Árpád Schilling oder auch Béla Pintér und Co. das ungarische Theater bei den maßgebenden europäischen Festivals vertreten haben …
Béla Pintér ist seit gut zehn Jahren eine der wichtigsten Figuren der freien Szene Ungarns. Seit der Auflösung von Krétakör 2008 ist sein Ensemble das international bekannteste. Pintér schreibt und inszeniert alle Stücke der Kompanie selbst, außerdem spielt er mit. Pintér ist eine einzigartige Figur der ungarischen Bühne. Ein intuitives Genie und ein Autodidakt. Seine Ausbildung hat nichts mit Theater zu tun, dennoch ist er unwahrscheinlich kreativ, sensibel, scharfsinnig, kritisch und reflexiv, ein mit saftigem Humor gesegneter Dramatiker, Regisseur und Schauspieler.
Sein Stil ist unverkennbar. Er ist einer der sehr wenigen ungarischen Theatermacher, die nicht mit der in Ungarn herrschenden Stanislawski Methode, sondern mit freien Gastspielen aus West- und Zentraleuropa in der wichtigsten Spielstätte der Achtziger, im Szkéné Theater aufgewachsen sind. Szkéné bleibt auch das Zuhause des Pintér Ensembles, und ist heute vielleicht das einzige — obwohl kleine — Haus in Ungarn, das bei diesen Gelegenheiten immer ausverkauft ist. Stilisierung, eine reflexive, ironisch distanzierte Spielweise und viel Musik machen die originellen Werke von Pintér und seinem Komponisten Benedek Darvas zu neuen Musiktheaterereignissen, die immer unterhaltsam und kritisch sind und die herrschende Theorie widerlegen, die Entertainment und Gesellschaftskritik im Theater auseinanderhalten will.
Anna Lengyel, Dramaturgin/Produzentin PanoDrama (www.panodramaplay.blogspot.com)
Béla Pintér über das Stück:
„Das niemals Wiederkehrende” ist vor allem inspiriert von der tragischen Geschichte des Tengis Projektes. In den 80er Jahren wurden ungarische Arbeiter in die Umgebung von Baku geschickt um Gasfelder zu erforschen. Zu jener Zeit war das ein hochbegehrter Job, weil er ausgesprochen gut bezahlt wurde. 7-8 Jahre später aber wurde bekannt, dass siebzig Prozent der Arbeiter an der Strahlenkrankheit litten. Viele von ihnen starben.
Unsere Geschichte spielt sich nicht in den 80er Jahren ab, sondern in der Gegenwart. Aber wir beließen die meisten typischen Merkmale der sozialistischen Ästhetik jener Dekade, so zum Beispiel Lieder der Arbeiterbewegung. Das taten wir, weil das vergangene System immer noch in uns steckt, obwohl wir in einem demokratischen Staat leben, regiert von den Regeln des Kapitalismus. Wir haben eine Affinität zu großen Führern und akzeptieren, dass uns gesagt wird, was gut sei und was schlecht.
Aber keine Sorge, wir halten keine politischen Reden — oder zumindest das ist es nicht, worum sich das Stück dreht. Eher wird das Publikum herangeführt an eine Geschichte über die „Versuchung”. Die Versuchung von selbstsüchtigen, fehlbaren Menschen, die sich verzweifelt an verloren geglaubte Augenblicke klammern und damit am Ende mit ihrem Leben spielen.
„(Auch) darum ist der gemeinsame Geist so stark in dieser Truppe: Béla Pintér provoziert das musikalische Material, das in jedem von uns steckt. Märsche, die sowjetische Nationalhymne, die Internationale u.a. — das ist eine feine Auswahl ‚Best of Kommunismus’, in einem gegenwärtigen Kontext, mit einer originellen Geschichte. Das musikalische Material ist bemerkenswert, nicht nur aus sich heraus, sondern weil es in eine starke dramatische Situation eingebunden ist.
Der breite, rote Vorhang enthüllt unsere Gegenwart: Ein vierköpfiges Team versucht die niemals wiederkehrende Chance zu ergreifen: Sie bewerben sich für ein beträchtliches Salaire …
Sachverhalte und Worte unserer Zeit zu Melodien der Vergangenheit: Die selben Märsche stacheln unsere entschlossenen und gierigen Helden genauso an wie unsere Vorgänger. Dabei spiegeln sich die beiden Epochen und enthüllen überraschende Ähnlichkeiten.
Béla Pintér erschafft eine urkomische Mischung aus Melodrama und Farce, einen rapiden Wechsel kalter und warmer Duschen. Schicksal und Unglück, überspitzte Absurditäten und Rache leiten und täuschen die Helden des Stückes.
Ungarische, muslimische, amerikanische und jüdische Stereotype prallen dramatisch und musikalisch aufeinander bei dieser Reise von vier ungarischen Geschäftsleuten ins zentralasiatische Nirgendwo …”
(Andrea Tompa | Theatre)
Preise: 22,– EUR normal / 12,– EUR ermäßigt.
Ermäßigungsberechtigt: Schüler, Azubis, Studenten, Wehr- und Zivildienstleistende, Arbeitslose, Sozialhilfeempfänger und Schwerbehinderte.