100 Songs
Eine Tasse fällt und die Welt bricht zusammen. Die Erklärung ist zu kompliziert. Oder ist sie zu einfach? Wer sind diese Menschen? Kennen sie sich untereinander? Kennen wir sie? Einige meinen, das alles mache Sinn. Andere denken, es ist alles zu weit weg. Die Tasse fällt, die Zeit steht still. Wir können nicht alles erklären. Hundert Songs, wie auf einmal. Oder tausende von Songs. Oder Millionen. Oder Milliarden.
Stuttgarter Zeitung | 6.10.2023 | Kritik: »Feuerwerk an Kreativität« Lässt sich eine Tasse, die im Fallen begriffen ist, kurz vorm Aufprall noch auffangen? Lässt sich ihr Zerscherben verhindern? Wenn die Reflexe stimmen, schon – und deshalb stürmt in vollendeter Zeitlupe das gesamte fünfzehnköpfige Ensemble herbei, um den Sturzflug des gelben Porzellans aufzuhalten. Wie Skulpturen eines Heldendenkmals, angeordnet zur aufstrebenden Pyramide, schauen die Menschen zum jungen Mann in ihrer Mitte empor, der die überdimensionierte, aus dem Himmel schwebende Tasse zu stützen versucht wie einst Atlas die Weltkugel. Dann friert das Schlussbild ein. Bange Blicke allerorten. Ende der »100 Songs« von Roland Schimmelpfennig – und zugleich der vielversprechende Auftakt der neuen Intendanz in der tri-bühne...
»Kennst du das, wenn du das Radio anmachst, und dann läuft da dieser Song, und du musst einfach lächeln?« fragt der Mann. Ja, wir kennen das, und deshalb leuchtet die Machart des Stücks ein, die Lieblingssongs der leise lächelnden Figuren zum Soundtrack ihrer letzten Lebensminuten zu machen. Im Radio läuft »Betty Davies Eyes«, als Sally, der Kellnerin, die Tasse aus der Hand fällt, weil sie und alle anderen auf dem Bahnsteig und im Zug in dieser schrecklichen Nanosekunde von der Bombe in die Luft gesprengt werden… Aber davor unter Bagossys Regie: eine allerletzte Hoffnung, die Apokalypse doch noch stoppen zu können und ein Ensemble, das seine Spielwut auslebt, Schicksale aufleuchten und verglühen lässt, wunderbare 100 Songs singt und sie mit Schlagzeug, Bass, Gitarre und Keyboard live begleitet. Kurzum: ein Feuerwerk an Kreativität, das Lust auf die upgedatete, das Stuttgarter Theaterleben enorm bereichernde tri-bühne macht. Weiter so – dann wird alles gut!" (Roland Müller)